

Seit über 20 Jahren lebt der Niederländer Coen im malerischen österreichischen Dorf Filzmoos. Neben seiner Arbeit als Bergwanderführer, Skilehrer und Fotograf engagiert er sich seit Jahren als Leiter der örtlichen Bergrettung und war sogar zeitweilig Bezirksleiter im Pongau. Wir haben mit ihm über die Wichtigkeit der Bergrettung gesprochen und er gibt Tipps, wie man Situationen vermeidet, die dazu führen, dass die Bergrettung gerufen werden muss.
Wir fragen, Coen Weesjes gibt Antworten
Für diejenigen, die es nicht wissen: Was genau macht die Bergrettung?
„Die Bergrettung leistet Rettungsdienste in schwierigem Gelände, hauptsächlich in alpinem Gelände. Wir helfen, versorgen und bergen Menschen in Not, bei Unfällen oder vermissten Personen. In dem Moment, in dem ein Krankenwagen einen Ort in den Bergen nicht erreichen kann, kommt die Bergrettung zum Einsatz.“
Wie bist du Bergrettungsleiter in Filzmoos und Bezirksleiter im Pongau geworden und was gehört zu den Aufgaben?
„Der Skischulleiter hat mich gebeten, bei der Bergrettung mitzumachen. Aufgrund meines Engagements und meiner organisatorischen Qualitäten sah man in mir offenbar einen geeigneten Nachfolger für den Leiter. Seit 2009 koordiniere ich die Rettungseinsätze und leite ein Team von 23 Bergrettern in Filzmoos. Später wurde ich auch stellvertretender Bezirksleiter im Pongau und drei Jahre später Bezirksleiter.“

Wie wird man Bergretter?
„Man kann gefragt werden oder sich selbst als Interessent bewerben. Das Wichtigste ist, dass man für Einsätze und Ausbildungen zur Verfügung steht. Dann macht man einen Winter- und einen Sommertest und läuft ein Jahr lang auf Probe, wobei man auch mindestens 25 Stunden Ausbildung absolviert, wie jeder Bergretter jedes Jahr. Wenn das gut läuft, bekommst du vier einwöchige Ausbildungskurse und dann bist du ein Bergretter.“
Wie läuft es ab, wenn ein Notruf eingeht?
„Derjenige, der den Rettungseinsatz koordiniert - das bin im Grunde ich an unserem Standort Filzmoos - sendet eine SMS. Je nach Verfügbarkeit melden sich die Kollegen, dass sie helfen können. Oft wird das mit dem Arbeitgeber koordiniert, damit man bei Bedarf gehen kann.“
Was muss man mitbringen, um Bergretter zu werden?
„Die Anforderungen werden tatsächlich immer strenger. Man muss nämlich ein vielseitiger Bergsteiger sein. Beim Klettern muss man in der Lage sein, mit normalen Bergschuhen eine Route mit Schwierigkeitsgrad 4 vorzuklettern. Im Winter muss man mit Tourenskiern und einem 12-Kilo-Rucksack mindestens 500 Höhenmeter pro Stunde zurücklegen, bei wenig Schnee auch 700 Höhenmeter. Man muss auch in der Lage sein, in allen Hochgebirgslagen sicher abzusteigen.“
Was liebst oder genießt du an seiner Arbeit als Bergretter?
„Die Kameradschaft. Dass man in seiner Freizeit gemeinsam auf eine Bergtour geht. Und natürlich, dass man Menschen helfen kann, die sich aus eigener Kraft nicht mehr aus einer Situation befreien können. Außerdem bekommt man eine gute Ausbildung, die einem auch privat für die eigenen Bergtouren sehr nützlich ist.“
Wirst du als Bergretter bezahlt?
„Es gibt 0,– € Lohn, es ist also eine rein ehrenamtliche Tätigkeit. Ähnlich wie bei der Freiwilligen Feuerwehr, denke ich. Man benutzt sogar teilweise seine eigene Ausrüstung: seine Tourenski, seine Lawinenausrüstung und seinen Klettergurt. Also Ausrüstung, die man gut kennt. Oft bekommen wir in Geschäften Rabatte auf Material, wenn sie wissen, dass es für die Bergrettung ist. Die Kleidung bekommen wir von der nationalen Organisation.“
Wie erreicht man die Bergrettung und wann sollte man sie anrufen?
„In Österreich kann man 140 anrufen, dann kommt man in die Notaufnahme und man bekommt einige Fragen gestellt. Gemeinsam mit der Bergrettung wird dann ein Plan erstellt: Wird ein Arzt benötigt, ein Hubschrauber, oder können wir aus der Ferne Tipps geben? Viele Menschen warten zu lange, um externe Hilfe anzufordern, weil sie niemandem zur Last fallen wollen. Grundsätzlich kann man die Bergrettung immer anrufen, wenn man etwas hat, eine Verletzung, wenn man müde ist oder sich verlaufen hat.“

Wie hoch sind die Kosten für eine Bergrettung und wer bezahlt sie?
„Das hängt davon ab, wie lange eine Rettung dauert, aber heutzutage beträgt die Gebühr 58,– € pro Mann und Stunde, bei einer Mindestgebühr von 315,– €. Die meisten Rettungsaktionen, wie z. B. ein verstauchter Knöchel oder ein verdrehtes Knie, kosten zwischen 315,– € und 1.000,– €. Wenn es sich um eine längere Aktion handelt, summieren sich die Kosten schnell. Die Kosten werden von der Person getragen, die die Rettung verursacht hat, oder von der verletzten Person. Nicht alle Versicherungen decken die Kosten für eine Bergrettung ab, das sollten Skiurlauber, Wanderer und Kletterer also prüfen, wenn sie öfter in den Bergen unterwegs sind.“
Spielt das „eigene Verschulden“ dabei noch eine Rolle?
„Bei einigen Versicherungen schon. Manche Versicherungen unterscheiden auch, um welche Art von Bergsport es sich handelt. War man beim Bergwandern auf einer markierten Straße oder außerhalb des Geländes unterwegs, das kann einen Unterschied machen. Wer z. B. Spender der Salzburger Bergrettung wird, was 36,– € kostet, ist ein ganzes Jahr lang bei allen Bergungskosten weltweit versichert. Egal, ob man selbst schuld ist oder nicht. Und wer unter Ortsstelle Filzmoos ankreuzt, hilft uns auch ein bisschen mit seiner Spende.“
Wie oft rückst du im Durchschnitt pro Jahr aus?
„In Filzmoos sind es zwischen 5 und 15 Mal im Jahr. Aber es gibt auch andere Regionen, wie zum Beispiel Gastein, wo man auch in Richtung Hohe Tauern fährt, da rücken sie etwa 100 Mal im Jahr aus.“
Gibt es in den vergangenen Jahren einen Trend zu mehr oder weniger Bergrettungen, und gibt es dafür einen Grund?
„Das eine Jahr sind es ein bisschen mehr, das andere ein bisschen weniger, aber der Trend zeigt einen leichten Anstieg. Wobei die Zahl der Rettungen mehr zunimmt als die Zahl der Einsätze.“
Was ist der Grund für diesen Anstieg?
„Das sind mehrere Faktoren. Zunächst einmal sind immer mehr Menschen in den Bergen unterwegs. Es gibt mehr beliebte Bergsportarten, und wo mehr Menschen unterwegs sind, gibt es auch mehr Unfälle. Oft spielt eine schlechte Vorbereitung eine Rolle, zu wenig Erfahrung oder das Unterschätzen der Gefahren. Das Wetter kann plötzlich umschlagen, und wir haben es mit extremeren und unvorhersehbareren Wetterlagen zu tun.“

Gibt es auch einen Unterschied zwischen Touristen und Einheimischen?
„Natürlich ist es einfach zu denken, dass die Einheimischen alles wissen. Aber wenn es zum Beispiel seit Jahren Lawinentote gibt, dann sind das oft Einheimische, männlich und 45 Jahre oder älter. Statistisch gesehen sind allein im Sommer auch viel mehr Touristen unterwegs als Einheimische.“
Wie lange benötigst du im Durchschnitt, um zum Einsatzort zu gelangen?
„Je nach Ort zwischen 15 Minuten und vier Stunden. Manchmal sind wir auch mehrere Stunden zu Fuß unterwegs und dann dauert es sehr lange.“
Was ist eine Geschichte, die dir immer im Gedächtnis geblieben ist?
„Auf der Bischofsmütze ist ein Gleitschirmflieger bei seinem Startversuch gestürzt und hat sich dabei verletzt. Es gelang ihm, Alarm zu schlagen, und da ich zufällig in der Nähe war, kam ich ihm zu Hilfe. Ein Hubschrauber brachte ihn ins Krankenhaus, wo er zwei Wochen lang im Koma lag. Glücklicherweise erholte er sich vollständig. Ein paar Monate später tranken wir zusammen ein Bier - er ist jetzt selbst Mitglied der Bergrettung. Eine schöne Geschichte, mit einem glücklichen Ende!“
Was sind deine wichtigsten Tipps, um nicht die Bergrettung rufen zu müssen?
- Selbsteinschätzung: Sei ehrlich in Bezug auf dein eigenes Können und deine Kräfte, aber auch in Bezug auf die deine Mitwanderer. Das Tempo einer Wanderung bestimmen immer die Langsamsten.
- Planung der Tour: Weißt du, wie viele Höhenmeter du machen wirst, wie lang du unterwegs sein und wo du dich aufhalten wirst, damit du dich nicht verlaufen kannst? Du solltest auch wissen, wohin du umkehren kannst, wenn ein Unwetter aufzieht.
- Ausrüstung: Trage festes Schuhwerk mit guten Sohlen und stell sicher, dass du warme Kleidung hast. Unterkühlung ist ein ernstes Risiko, auch im Sommer. Ein Telefon mit vollem Akku ist unerlässlich.
- Notfallmaßnahmen: Weißt du, was zu tun ist, wenn etwas schief geht?
- Essen und Trinke: Viele Menschen trinken zu wenig, vorwiegend ältere Menschen. Das kann schwerwiegende Folgen haben.
- Das Wetter einschätzen: Das Wetter kann plötzlich umschlagen, was oft unterschätzt wird.
- Tempo: Wähle ein Tempo, das zu dir passt, und beginne langsam.

Wenn du eine grobe Schätzung machen würdest, in wie viel Prozent der Fälle hätte eine Rettung verhindert werden können?
„Das ist immer schwer zu sagen, weil man es hinterher natürlich immer besser weiß. Aber unter Berücksichtigung der 7 Tipps, die ich gegeben habe, denke ich, dass man die Hälfte der Rettungen verhindern könnte.“
Gibt es noch andere Dinge, die du Bergtouristen mit auf den Weg geben möchtest?
„Das gilt für alle Bergtouristen: Lerne Kartenlesen und Orientierung, damit du das Gelände im Voraus kennst. Bei wenig Bergerfahrung ist ein Bergwander- oder Bergführer zu empfehlen. Es gibt viele Führer, die ihr Wissen und ihre Leidenschaft gerne weitergeben. Man kann so viel von ihnen lernen!“
Melde dich für unseren Newsletter an!

Bleib immer auf dem Laufenden mit den neuesten Nachrichten aus den Bergen, Insidertipps, Wetter-Updates, Sonderangeboten, den besten Reisezielen und vielem mehr. Abonnieren jetzt unseren „Bergbrief“ Newsletter!